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Die zarte Hand, die Tyrannen widerstanden hat

Das Armreliquiar der heiligen Margarethe aus dem Mittelalter

In der Mindener Schatzkammer befinden sich mehrere Armreliquiare, von denen das weltweit älteste auch das wertvollste ist. Es ist das Armreliquiar der hl. Margarethe und stammt aus dem 11. Jahrhundert. Im Jahr 2012 wurde das Reliquiar aufwendig restauriert.

Warum gerade der Arm sich so früh in der Kunst zu einem Reliquienbehälter entwickelt hat, ist schwer zu sagen. Vielleicht wollten die Künstler auf die Hand Gottes hinweisen, die in der Gestalt und durch das Leben eines Heiligen in den Lauf dieser Welt eingegriffen hat.

Armreliguiar der Heiligen Margarethe.Unter diesem Gesichtspunkt ist auch das Leben der hl. Margarethe zu betrachten. Sie lebte wahrscheinlich am Ende des 3. Jahrhunderts in Antiochia und hat dort in der Verfolgung der Christen unter Kaiser Diokletian ihr Leben hingegeben. Diese Heilige, die um 310 enthauptet wurde und zu den 14 Nothelfern zählt, sollte den Christen auch in späteren Zeiten als Stütze des Glaubens dienen. In der Kirche wird sie aber auch als Schutzpatronin gegen Hochwasser, das den Menschen in der damaligen Zeit schwer zu schaffen machte, verehrt. Im ersten Jahrtausend brachten Bischöfe, Pilger und Landesherren häufig Reliquien aus Rom mit, wo die meisten Märtyrer begraben waren. So ist es möglich, dass die Reliquie der heiligen Margarete in Rom speziell für Minden erbeten wurde, weil die Bewohner mit dem ständigen Hochwasser der Weser nicht fertig werden konnten. Schon bei der Weihe des wieder aufgebauten Domes im Jahre 1071 wird die Reliquie der hl. Margarethe in einem Dokument erwähnt; unmittelbar danach wurde dieser kostbare Reliquienarm erstellt. Vor einigen Jahren noch wurde das Fest der hl. Margarethe am 20 Juli im Dom feierlich begangen.

Der schlanke Reliquienarm ist nicht pompös gestaltet, sondern von einer eindrucksvollen schlichten romanischen Strenge. Über einem Holzkern ist das Silberblech geschmiedet, das teilweise auch vergoldet ist. Die zum Segen ausgestreckten, para\-llel geführten Finger setzen die schlichte Strenge nach oben fort. Die zarte Hand, die Tyrannen widerstanden hat, ist ein Blickfang für jeden Betrachter. Der Rundsockel trägt eine Majuskelinschrift, die, die Heilige identifiziert: "Brachium Sante Margarethe" (Arm der hl. Margarethe). Der Arm ist von Manschetten am Handgelenk und am unteren Ende umgeben; beide sind mit einer Mittelborte verbunden.

Die Armbänder und das Verbindungsstück sind mit vergoldetem Silberdraht, mit kostbaren Steinen wie Sternrubin, Achat, Saphir, Amethyst u. a. und winzigen Rosetten geziert. Die drei Granatgemmen an den beiden Manschetten sind spätantiker Herkunft und wahrscheinlich einem früheren Schmuckstück entnommen. Die Gemme mit weiblichem Brustbild wird als Darstellung der Livia (58 vor Chr. - 29 nach Chr.), der Gemahlin des Kaisers Augustus, gedeutet.

Reich geschmückt ist die Manschette des Religuiars.Im Mindener Domschatzinventar von 1683 wird auf vier weitere Armreliquiare hingewiesen. Sie sind jüngeren Datums und haben entsprechend der Zeit auch mehr Pracht entfaltet. Besonders erwähnenswert ist der Reliquienarm des hl. Gorgonius (2. Viertel des 15 Jahrh.), des Mindener Dompatrons, weil er neben seiner künstlerischen Gestalt in einem Bergkristall die einzige Reliquie vom hl. Gorgonius enthält, die sich heute noch beim Dom befindet. Heinrich der Löwe, der 1168 mit der englischen Prinzessen Mathilde im Mindener Dom von Bischof Werner von Bückeburg getraut worden war, hatte sie von einer Wallfahrt mitgebracht.

Auch der Reliquienarm der hl. Anna (Ende des 15. Jahrh.) verdient wegen seiner aufwändigen und lebendigen Gestaltung Aufmerksamkeit. Die Ärmel des Gewandes sind fast naturalistisch in zahlreichen Falten gelegt und in Unter- und Obergewand unterschieden. Am Sockel befinden sich eine Anna Selbdritt - Jesus, Maria und deren Mutter Anna - und eine Abbildung des hl. Gorgonius. Die Verehrung der hl. Anna hatte im Mindener Raum früher als in anderen Gegenden Deutschlands eingesetzt. Seine Grabeskirche hat der Mindener Bischof Sigward (1120 - 1140) in Idensen neben der hl. Ursula auch der hl. Anna geweiht. Diese herrliche romanische Kirche ist die älteste der hl. Anna geweihten Kirche in Deutschland.

Da Armreliquiare aus dem Mittelalter verhältnismäßig zahlreich erhalten werden konnten, sei an dieser Stelle auf die anderen in der Mindener Domschatzkammer befindlichen Exemplare, die aus der Zeit vom 13. bis 15 Jahrhundert stammen und sehenswert sind, lediglich hingewiesen.

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