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Ein Stab für den Hirten der Gläubigen

Krümme zeigt Tobias mit dem Fisch vom Erzengel Rafael gerettet

Zur Amtstracht eines Bischofs gehört der Stab. Weil er Hirte der Gläubigen ist, der das Volk Gottes leiten soll, wird ihm bei der Bischofsweihe dieser Stab überreicht. Er kann aus verschiedenen Materialien gefertigt sein und ist meistens - vor allem in der Krümme - kunstvoll gestaltet.

In der Mindener Domschatz-Kammer befindet sich der Bischofsstab, den die zuletzt in Köln lebende und 1987 gestorbene Künstlerin Hildegard Domizlaff 1958 für Weihbischof Dr. Paul Nordhues, Paderborn, gearbeitet hat. Weil er mit der Mindener Domgemeinde seit Jahren eng verbunden war, hat er ihr nach seiner Emeritierung 1990 diesen kostbaren Bischofsstab für die Schatzkammer geschenkt. Der Stab ist aus Silber und vergoldet; er setzt sich aus drei Teilen, die auseinander geschraubt werden können, zusammen. Am oberen Teil hat die Künstlerin den Stab mit goldenem Runddraht als Zier und zum besseren Greifen umwickelt. In der Krümme ist die alttestamentliche Gestalt des Tobias mit dem Fisch, den er aus dem Wasser gezogen hat, dargestellt. Sein Begleiter, der Erzengel Rafael, hatte ihn bei dem Angriff des Fisches vor dem Verschlingen geschützt (Tobit 6,1-5). Die Künstlerin beschreibt den Augenblick, in dem der junge Tobias mit dem großen Fisch unter dem Arm über einen Abgrund schreitet, der durch einen Freiraum zwischen Schaft und Krümme angedeutet ist. Der Engel stützt sich mit der linken Hand auf einen Stab, während er mit der rechten die Hand des Tobias hält, um ihn vor dem Absturz zu bewahren. Die ausgespannten Flügel des Engels legen sich schützend um Tobias. Die Füße beider Wanderer weisen in dieselbe Richtung. Tobias folgt seinem Engel.

Hildegard Domizlaff fertigte den Bischofsstab 1958.Hildegard Domizlaff wollte mit dieser Darstellung auf den Dienst eines Bischofs, aber auch auf seine Schutzbedürftigkeit hinweisen. Jeder Hirte in der Kirche kann seine Aufgabe nur dann erfüllen, wenn er sich selbst von dem einen "guten Hirten" (Joh 10,11) leiten lässt. Der Fisch im Arm des Tobias ist für die Christen von Anfang an ein Symbol für Christus; die Buchstaben des Wortes "Fisch" bilden in der griechischen Sprache die Anfangsbuchstaben des Titels: "Jesus Christus, Sohn Gottes, Retter". Diesen Retter der Welt soll der Bischof den Menschen verkündigen. Da der Bischof aber selbst immer gefährdet ist, braucht er einen Engel, der ihm den Weg zeigt und ihn schützend an der Hand hält.

Für die Bibel ist die Existenz der Engel eine Selbstverständlichkeit; sie begegnen uns auf vielen Seiten. Überall, wo in der Bibel Engel auftreten, wird ausgesagt: Hier ist Gott gegenwärtig. Sie sind nur von ihm her zu verstehen. Diese ihre Gottesbeziehung wird in einigen Engelnamen zum Ausdruck gebracht, in denen in der hebräischen Sprache als letzte Silbe -EL, das heißt Gott, angefügt wird: Gabri-EL, Micha-EL, Rafa-EL. Engelerfahrungen sind Gotteserfahrungen. Wie der Name sagt, sind Engel Boten, die eine Botschaft von Gott bringen; sie sollen das Wesen Gottes offenbaren, die Menschen heilen und beschützen. Sie brennen so lichterloh von Gott, dass sie bei ihrem Auftreten den Menschen beruhigend zurufen: "Fürchtet euch nicht!" Die Engel lassen etwas von der Größe und Schönheit Gottes aufleuchten; sie sind Gesichter Gottes. Sie bezeugen sein Interesse an der Welt, indem er durch sie in die Geschicke der Menschen eingreift. An sie hat Dietrich Bonhoeffer geglaubt, als er in der Todeszelle vertrauensvoll gebetet hat: ”Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag”.

In ihrer Sehnsucht nach dem Geheimnis und unter dem Eindruck irdischer Gefährdungen, vor allem im Straßenverkehr, haben die Menschen heute ein neues Verhältnis zu Engeln gefunden. Viele beten regelmäßig am Anfang des Tages oder vor schwierigen Aufgaben und Reisen zu ihrem Engel. Manche sagen nach einem Unfall oder einer anderen Krisensituation" sie hätten einen guten Schutzengel gehabt. Umfragen über Engel haben erstaunliche Ergebnisse zutage gefördert. Die Literatur über Engel ist umfangreich und unübersehbar geworden. Zuweilen werden auch Menschen als Engel bezeichnet. "Du bist ein Engel" oder „ich möchte für dich ein Engel sein", sagen Verliebte zueinander. Damit wird deutlich, dass der Engel nicht als göttliches Wesen erkennbar sein muss. "Es müssen nicht Engel mit Flügeln sein". Auch Tobias ahnte nicht, dass er auf seiner gefährlichen Reise von einem Engel begleitet wurde. ”Rafael war ein Engel, aber Tobias wusste es nicht”, heißt es im Buche Tobit (5,4). Und als der Engel sich dem Vater des Tobias vorstellte, nannte er nicht seinen Namen Rafael, sondern Asarja. Engel in Menschengestalt sind unsere Begleiter.

Aus China wird von einem Engel berichtet, der sich gegenüber einem angsterfüllten Menschen wegen der Ungewissheit eines neuen Jahres als guter Ratgeber erweist: “Ich sage zu dem Engel, der an der Pforte des Neuen Jahres steht: Gib mir ein Licht, damit ich sicheren Fußes der Ungewissheit entgegen gehen kann. Er aber antwortete mir: Gehe nur in die Dunkelheit und lege deine Hand in die Hand Gottes; das ist besser als ein Licht und sicherer als ein bekannter Weg.”

Nächstes Objekt der Domschatzkammer: Geweihtes Wasser für die Gemeinde

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