Der Astronom Friedrich Wilhelm Bessel und Minden
Weißt du, wie viel Sternlein stehen? Seit der Zeit des Mindener Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846) ist diese Frage verhältnismäßig genau beantwortet. Im Mindener Preußen-Museum können Interessierte erleben, warum.
Was lange währt, wird endlich gut. So könnte man den Werdegang einer Ausstellung bezeichnen, die zum 200. Geburtstag des namhaften Wissenschaftlers Bessel ihren Anfang nahm, an seinem 150. Todestag eine Fortsetzung fand und dann im September 2004 ein beeindruckendes Ende - oder besser - einen echten Anfang fand. Denn in Zusammenarbeit mit dem Preußen-Museum Minden war es gelungen, das Werk Friedrich Wilhelm Bessels eindrucksvoll in Szene zu setzen: In einer Dauerausstellung.
“Wie weit ist es zu den Sternen?” lautet der Titel dieser Ausstellung, in der aktive und ehemalige naturwissenschaftliche Lehrkräfte des Mindener Besselgymnasiums gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern, sich der wissenschaftlichen und weltweit anerkannten Leistungen des gebürtigen Mindeners Friedrich-Wilhelm Bessel annehmen, die bis heute grundlegend für Astronomie, Erdvermessung und Mathematik sind. So gelang dem später in Königsberg wirkenden Astronomen der streng wissenschaftliche Nachweis des Weltbildes von Nikolaus Kopernikus, der da behauptet hatte, die Sonne sei der Mittelpunkt unseres Universums.
Bessel gelang die exakte Entfernungsbestimmung eines Fixsternes und damit die Untermauerung des Weltbildes des Kopernikus. Er initiierte die Kartierung des nördlichen Sternenhimmels, bestimmte selbst die genauen Positionen von rund 75.000 Sternen und erbrachte andere bedeutende wissenschaftliche Leistungen, darunter die später "Besselfunktionen" getauften Messungen, die noch heute in der Quantenmechanik, der Satelliten-Geodäsie (Erdvermessung) und der Nachrichtentechnik von Wichtigkeit sind.
Und ganz nebenbei steht Bessel für das preußische Verständnis, Wissenschaft zu fördern, auch ohne die Voraussetzung universitärer Abschlüsse, wie der Chef des Preußen-Museums NRW, Dr. Veit Veltzke, mit dem Hinweis betont: “Nach den napoleonischen Kriegen befand sich der Staat Preußen in einer tiefen Krise und setzte auf Bildung und Wissenschaft. Auch heute befinden wir uns in einer Krise. Vielleicht sollte man daraus Schlüsse ziehen.”
Das Preußen-Museum, zahlreiche Sponsoren und künstlerische Unterstützer haben zum Gelingen der Ausstellung beigetragen, die sich in unterschiedle Themenbereiche gliedert:
Leben und Werk: Wie weit ist es zu den Sternen? Friedrich Wilhelm Bessel, Minden 1784 - Königsberg 1846
Die wissenschaftlichen Leistungen des gebürtigen Mindeners Friedrich Wilhelm Bessel erlangten Weltruhm und sind bis heute grundlegend für Astronomie, Geodäsie (Erdvermessung) und Mathematik. Als erstem Astronomen gelang ihm der streng wissenschaftliche Nachweis des Weltbildes von Kopernikus durch die exakte Entfernungsbestimmung eines Fixsterns. Auf seine Initiative hin begann die Berliner Akademie der Wissenschaften mit der Kartierung des nördlichen Sternenhimmels. Bessel selbst bestimmte für rund 75.000 Sterne die genaue Position. Durch Bessels Gradvermessungen mit von ihm selbst entwickelten Geräten konnte Ostpreußen exakt vermessen und kartografiert werden. Mit Hilfe dieser Ergebnisse und weiterer Untersuchungen wie seiner Experimente mit Pendeln gewann Bessel neue Erkenntnisse zur Gestalt des Erdkörpers. Die von ihm errechneten Werte zur Abplattung der Pole sowie des Erddurchmessers zwischen den Polen und entlang des Äquators haben mit leichten Veränderungen bis heute Gültigkeit. Gravitative Störungen zwischen den Planeten erfasste Friedrich Wilhelm Bessel in Differentialgleichungen, deren Lösung die nach ihm benannten Funktionen sind. Die Besselfunktionen sind für exakte Messungen in der Quantenmechanik, der Satellitengeodäsie und der Nachrichtentechnik von Bedeutung.
Besselfunktionen
1824 führt Bessel in einer Veröffentlichung eigenständige Symbole für die später nach ihm benannten Besselfunktionen ein. Er stößt auf diese Funktionen bei dem Versuch, die Bewegung eines Planeten mathematisch zu beschreiben. Die Funktionen sind so bedeutend und weitreichend, dass die Mathematiker Lipschitz und Schlömilch Mitte des 19. Jahrhunderts für diese Funktionen den Namen “Besselfunktionen” einführen. Noch heute werden diese Funktionen in Naturwissenschaft und Technik verwendet, zum Beispiel in der Quantenmechanik und in der Optik.
Weltbilder vor Bessel
Über Jahrtausende war es nahezu selbstverständlich, dass unsere Erde im Mittelpunkt des Universums stehe. Schon in der Antike aber gab es Vertreter eines heliozentrischen Weltbildes. Diese konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Erst mit [Nikolaus Kopernikus] gewann im 16. Jahrhundert das heliozentrische Weltbild an Bedeutung. Wissenschaftlich hätte der Nachweis einer Fixsternparallaxe sofort die heftigen Diskussionen um das Weltbild zu Gunsten des heliozentrischen Systems entschieden. Nach vielen vergeblichen Versuchen konnte Bessel 1838 diese Fixsternparallaxe messen.
Bessel und der Halleysche Komet
Bessels große naturwissenschaftlichen Erfolge beginnen mit seinem Interesse für den Halleyschen Kometen. Dieser Komet war 1607 zum letzten Mal erschienen. Bessel, der gerade erst 20-jährige Kaufmann, berechnet in seiner Freizeit dessen Bahn aus einer Reihe von vorliegenden Messdaten. 31 Jahre später - Bessel ist längst ein anerkannter Astronom - kann er den wiederkehrenden Kometen in seiner eigenen Sternwarte in Königsberg beobachten.
Brennweitenbestimmung nach Bessel
In viele astronomische Berechnungen geht die Brennweite der Teleskoplinse ein. Eine Brennweitenmessung über die Linsengleichung setzt die Kenntnis der Lage des Linsenmittelpunkts voraus. Dieser ist oft schwer zu ermitteln. Bei der von Bessel entwickelten Methode ist die Bestimmung des Linsenmittelpunkts nicht erforderlich. Dadurch wird die Messung in vielen Fällen genauer.
Sternkataloge: Weißt du, wie viel Sternlein stehen?
Bessel schlägt 1820 der Akademie der Wissenschaften in Berlin eine Stemdurchmusterung des nördlichen Himmels vor. Die Positionen aller mit den damals üblichen Fernrohren erkennbaren Sterne sollen erfasst werden. Er initiiert damit ein internationales Projekt. Bessel selbst bestimmt die Positionen von 75.000 Sternen. Sein Schüler Argelander (Bonn) setzt die Arbeit fort. Dieser Sternenatlas ist auch heute noch als „Bonner Durchmusterung” eine wichtige Arbeitsgrundlage für Astronomen.
Kleine Fehler - große Wirkungen
In Sternkatalogen finden sich umfangreiche Daten zu den Sternen und ihren Positionen. Die von den Astronomen gewonnenen Messdaten müssen allerdings zuvor von einer Reihe von systematischen Fehlern befreit werden. Bessel ist den Ursachen dieser Fehler (z. B. Präzession, Nutation, Aberration und Refraktion) in umfangreichen Berechnungen nachgegangen. Aberration und Refraktion sind Beobachtungsfehler, die in den Gesetzen der Optik begründet sind. Präzession und Nutation sind Kreiselbewegungen, die auftreten, weil Sonne und Mond Kräfte auf die Erde ausüben.
Entfernungsmessung im Weltall
Schon in der Antike konnte Aristarch von Samos beweisen, dass die Sonne größer und weiter von der Erde entfernt ist als der Mond. Es ließen sich aber keine genauen Entfernungen bestimmen. Durch den Umlauf der Erde um die Sonne ändert sich im Laufe eines Jahres der Blickwinkel zu einem nahen Stern, der sich vor dem weit entfernten Hintergrund zu bewegen scheint. Aus dem Radius der Erdbahn und der Parallaxe - der Winkelveränderung der Blickrichtung - lässt sich die Entfernung bestimmen. Bessel gelingt auf diese Weise 1838 erstmals die Entfernungsbestimmung eines Fixsterns.
Erste Bestimmung einer Fixsternentfernung
Eine der größten Leistungen Friedrich Wilhelm Bessels ist die erste zuverlässige Bestimmung der Entfernung eines Fixsterns (61. Stern im Sternbild des Schwans) im Jahr 1838. Die zugehörige Messung beruht auf einem Phänomen, das als Parallaxe bezeichnet wird. Möglich wird die Bewältigung dieser Aufgabe mit Hilfe eines Präzisionsmessgeräts für sehr kleine Winkel, dem so genannten Heliometer von Fraunhofer aus München.
Bessel als Geodät
Mit der Gradmessung in Ostpreußen und der Entwicklung neuer Geräte und Messmethoden ermöglicht Bessel eine genaue Landvermessung. Aufgrund seiner eigenen Werte aus dieser Vermessung Ostpreußens und aus den Ergebnissen anderer Wissenschaftler berechnet Bessel die Gestalt der Erde als Ellipsoid. Die Genauigkeit seiner Berechnungen steht neueren Bestimmungen mit Hilfe der Satellitengeodäsie kaum nach.
Bessels Experimente mit Pendeln
Bessel beschäftigt sich über viele Jahre mit Pendeln. Seine präzisen Messungen verbessern in unterschiedlichen Bereichen grundlegend die dort verwendeten Verfahren:
Verbesserung der Ortsbestimmungen von Sternen.
Herstellung eines neuen preußischen Längenmaßstabs.
Überprüfung der Erdanziehung auf verschiedene Substanzen.
Berechnung der Abplattung der Erde.
Die Bessel-Ausstellung im Preußen-Museum Minden enthält eine Vielzahl von Originalen. Darunter Notizbücher des Astronomen, Schriften "seines" Preußen-Königs Friedrich Wilhelm IV. und viele astronomische Gerätschaften. Die begleitenden Informationen auf ansprechend gestalteten Text- und Fotofahnen lassen die Besucher Bessels Welt erleben.
Weiterführende Links zum Thema Bessel:
Die Besselausstellung
Der Planetenpfad in Minden
Friedrich Wilhelm Bessel auf Wikipedia
Das Besselgymnasium in Minden