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Die neue Mindener Schleuse für Großmotorschiffe

Der Neubau der Schleuse Minden soll Anfang 2015 abgeschlossen sein. Das Foto entstand Ende Juni 2014. Luftbild: www.edwin-dodd.com


Neue Schleuse spart viel Wasser

Alle schimpfen auf das Wetter? Nicht unbedingt. „Ich kann nicht klagen“, meint Volker Bensiek. Der Bauingenieur auf der Schleusenneubaustelle hat eine pragmatische Sicht der Dinge: Bei der Arbeit soll es weder stauben, noch soll sich die Baugrube in eine Schlammwüste verwandeln.

Darum ist die Wunschvorstellung des Ingenieurs: „Nachts etwas Regen, tagsüber trocken und nicht zu heiß.“ Dann gehen die Arbeiten an dem Jahrhundertbauwerk, das rund 70 Millionen Euro kosten und Ende 2015 fertiggestellt wird, gut voran. Die neue Mindener Schleuse wird es den Europaschiffen ermöglichen, vom Mittellandkanal aus die Weser zu erreichen. Die ständigen Veränderungen auf einer Baustelle – die großen Fortschritte wie die kleinen Facetten – sind interessant zu beobachten. Überall wird gebaut, gebohrt und abgerissen.

Doch vor Beginn der eigentlichen Arbeiten im Sommer 2010 gab es viel zu tun: Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg suchen, umfassende Erdbewegungen durchführen und die Sicherheit der alten Schleuse gewährleisten.

Ein Schiff mit einem großen Kran lag im Bauhafen. Lange Bohrer wurden in den Boden des Hafens getrieben, die, wenn sie eine bestimmte Tiefe erreicht haben, in der Mitte mit einem Kunststoffrohr versehen wurden. Das bieb im Boden, nachdem der Bohrer wieder herausgezogen wurde.

In diese Rohre senkte der Kampfmittelräumdienst eine Sonde, die größere Metallansammlungen anzeigt. Es ging darum, das ganze Baugebiet nach Blindgängern abzusuchen und so jede Gefährdung auszuschließen. In den letzten Kriegsmonaten des Jahres 1945 war der Mittellandkanal in Minden mit der Weserquerung ein begehrtes Ziel der alliierten Streitkräfte.

Mit dem Neubau der Schachtschleuse wurden enorme Erdbewegungen erforderlich, vor allem für die tiefe Baugrube für den neuen Schleusenkörper und die Sparbecken. Es seien zwar alle Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden, um Erdverschiebungen im benachbarten Gebiet zu vermeiden, doch sei eine ständige Überwachung erforderlich, betonten die Baufachleute. So wurde ein Feld erstellt, das aus 17 Vermessungspunkten besteht, die so angeordnet sind, dass sich mindestens jeweils drei "sehen können". Aus den Winkeln zueinander wären auch kleinste Veränderungen sofort festzustellen.

Und Sicherheit gilt auch, wenn es um den Erhalt der alten Schleuse geht. Stahlbetonbohrpfähle von 120 Zentimetern Durchmesser stützen das alte Schleusen-Gelände. Sie werden von 750 bis zu 40 Meter langen Verpressankern gehalten.

Für den eigentlichen Schleusenneubau wurden zunächst die Betonbohrpfähle, die bis zu 23,60 Meter tief ins Erdreich ragen und das Bauwerk tragen, komplett fertig mit Beton verfüllt. 320 an der Zahl. Mit den Bohrungen war es allerdings noch nicht getan. Alle bewehrten Pfähle wurden mit Ankern in vier Lagen gesichert. Nur so konnten die Pfähle dem enormen Druck dauerhaft standhalten, nachdem mit dem Bodenaushub begonnen wurde.

Grafik der neuen und alten Mindener Schleuse

Das neue Bauwerk mit seiner 139 Meter langen und 12,50 Meter breiten Schleusenkammer wird vor allem die modernen Großmotorschiffe und Schubverbände aufnehmen, die auf den internationalen Binnenwasserstraßen fahren. Die neue Schleuse wird in einem Abstand von etwa 52 Metern östlich der 1914 errichteten Schachtschleuse und parallel zu dieser errichtet. Während der Bauzeit wird der Betrieb der historischen Schleuse voll aufrechterhalten.

Das Schleusungswasser für das neue Schiffshebewerk wird aus dem Mittellandkanal entnommen, deshalb wird die Schleuse mit Sparbecken ausgerüstet, die eine Wasserersparnis von rund 60 Prozent ermöglichen, betont das Neubauamt für den Ausbau des Mittellandkanals in Hannover.

Von 2009 an veränderte sich das "Gesicht" der Landzunge östlich der Mindener Schachtschleuse erheblich. Dort, wo zuletzt viel Grün stand, ragte nach den Rodungsarbeiten im Herbst 2009 tiefbrauner Boden hervor. Ein untrügliches Zeichen, dass der Baubeginn der neuen Schachtschleuse unmittelbar bevorstand.

Ab August 2010 rollten die Bagger an, um die Spundwände für den Bau der neuen "Sparschleuse" zu setzen. Bis zur Fertigstellung sind 250.000 Kubikmeter Erdreich zu bewegen, 90.000 Kubikmeter Beton oder Stahlbeton und 10.000 Tonnen Bewehrungsstahl zu verarbeiten.

Mehr als 100 Jahre nach der Entstehung des alten Bauwerkes wird die neue Schleuse die alte vorerst nicht komplett ersetzen. Zunächst sollen jährlich noch rund 1000 Schiffe der alten Bauart in der "historischen" Schachtschleuse zwischen Weser und Mittellandkanal geschleust werden, wie der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Minden (WSA), Henning Buchholz, erläuterte. Auch aus Kostengründen.

Zunächst sind etwa 4000 Schleusungen jährlich in dem neuen Hebewerk kalkuliert.

Auch wenn bei dem Projekt von einer Sparschleuse gesprochen wird, so benötigt das neue Objekt mehr als doppelt so viel Wasser für eine Schleusung wie die Schachtschleuse: 25.400 Kubikmeter. Das entspricht mehr als 152.000 Badewannenfüllungen.

Durch 288 Düsenöffnungen mit einem Durchmesser von je rund 30 Zentimetern wird das Wasser von den östlich gelagerten Sparbecken in die neue Schleuse einströmen beziehungsweise von dort zurückgepumpt.

Etwa 37 Minuten dauert eine Berg- oder Talschleusung. Nach Auskunft des zuständigen Hannoveraner Neubauamtes für den Ausbau des Mittellandkanales ist die wesentlich größere neue Schleuse damit nahezu ebenso schnell wie die Schachtschleuse mit ihrer Nutzlänge von 85 Metern und einer Breite von zehn Metern.

WSA-Chef Buchholz hofft, dass die Schachtschleuse noch möglichst lange funktionsfähig bleibt. Wie lange das sein wird, kann auch er nur vermuten. Denn das mehr als 100 Jahre alte Bauwerk ist technisch gesehen zwar auf der Höhe und diese Technik müsste noch deutlich mehr als ein Jahrzehnt halten. Doch kommt es zu größeren und kostenintensiven Defekten, würden die Schachtschleuse stillgelegt, die Schleusenkammer endgültig leer gepumpt und vor das Schleusentor am Mittellandkanal ein Damm aufgeschüttet, um das Tor vom Wasserdruck des Kanales zu entlasten. Da die Schachtschleuse unter Denkmalschutz steht, bleibt sie als technisches Bauwerk erhalten.

Die alte Schachtschleuse aus dem Jahr 1914.Während der Bauzeit der Schleuse Minden werden die Schleusungen in der alten Schachtschleuse nicht behindert. Für den Kraftfahrzeugverkehr auf der Bauhofstraße gilt das allerdings nicht. Die ist komplett gesperrt worden und wird später neu trassiert. Zwei neue Brücken führen dann mit lichten Weiten von 26 beziehungsweise 15 Metern über die Ausfahrten der neuen und alten Schleuse.

Während der Bauarbeiten haben die Schiffe der Weißen Flotte neue Ankerplätze bezogen. Ein Schiff liegt westlich der Zufahrt zur Schachtschleuse in Höhe der Sympherstraße vor Anker, die anderen Schiffe liegen auf der südlichen Seite des Mittellandkanals in der Nähe des Pumpwerkes. Touristen können über die Marienstraße/Sympherstraße an die Schachtschleuse heranfahren.

Auch Radwanderer sind von den Bauarbeiten betroffen. Ausschilderungen am Weserradweg im Stadtgebiet weisen die Fahrradfahrer frühzeitig auf die veränderte Streckenführung hin und informieren über das 70-Millionen-Projekt.

Autor: Hans-Jürgen Amtage
 

Weiterführende Links zum Thema Schachtschleuse Minden:

Startschuss für den Massivbau der Weserschleuse Minden - Betonwirtschaft v. 9. Oktober 2012
Wasser- und Schifffahrtsamt Minden 

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