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Kein Erfolg mit Bittgesuch beim König

Als es dem Kreis Lübbecke schlecht ging: Landrat von der Horst in Berlin

Von Martin Steffen

"1. Februar: Ankunft mit der Eisenbahn von Magdeburg 12 Uhr nachts, Absteigequartier Hotel de Russie am Platz bei der Bauschule, wohin bei Mangel an Droschken zu Fuß gegangen werden mußte, durch Dreck und ohne Lokalkenntnis."Diese Eindrücke hielt Adolph von der Horst 1847 von seiner Ankunft in Berlin fest.

Es war eine ungewöhnliche Dienstreise, die den Lübbecker Landrat in das Hotel Russischer Hof am Berliner Kupfergraben führte. Von der Horst wollte in Berlin die Regierung und den König um Hilfe gegen die Notlage in seinem Kreis bitten, denn Minden-Ravensberg war schwerer als andere Landesteile Westfalens von der Not der Jahre 1845 bis 1847 getroffen.

So lautet die Einschätzung des Historikers Manfred Wolf, der 1993 in der "Westfälischen Zeitschrift" die Initiative des Lübbecker Landrats und seinen Reisebericht vorstellte. Missernten führten in den 1840er Jahren zu Nahrungsmangel, der durch die Übervölkerung der Region verschärft wurde.

Obendrein steckte mit der Weberei und Spinnerei der traditionelle Gewerbezweig der Landbevölkerung in der Krise: Heimarbeit war im Zeitalter der Industrialisierung nicht mehr marktfähig - auch wenn viele Beamte und Regierungsvertreter dieses grundlegende Problem nicht erkannten. Trotz der erkennbaren Not setzte der Staat auf die Kräfte des Marktes und betrachtete sich als nicht zuständig.

Dem Kreis Lübbecke war 1846 vom Oberpräsidenten der preußischen Provinz Westfalen in Münster ein Darlehen von 2000 Talern bewilligt worden, sprichwörtlich der Tropfen auf den heißen Stein. Unterstützung Bedürftiger sei Sache der örtlichen Behörden, teilte Oberpräsident von Flottwell mit.

Die Zahlen der Ernteverluste in Lübbecke seien vermutlich übertrieben, und schließlich habe der Staat ja Getreide in Rußland und Amerika bestellt. Mehr zu tun würden die Privatinitiative der Betroffenen lähmen und so das Übel nur vergrößern. Weil von den staatlichen Stellen in Minden und Münster keine Hilfe zu erwarten war, beschlossen die Lübbecker Kreisstände am 19. Januar 1847, beim König direkt um 50 000 Taler zu bitten - 20 000 als Zuschuß, das Übrige als Darlehen.

Um den bürokratischen Gang der Dinge zu beschleunigen, sollte der Landrat das Gesuch direkt vortragen. Die Mindener Regierung und der Oberpräsident in Münster missbilligten das Unternehmen zwar, griffen aber nicht ein.

Adolph von der Horst hatte der Form halber den Oberpräsidenten informiert und dabei so getan, als ob er den Beschluss der Kreisstände nur zögernd angenommen habe. Dafür schien Adolph August Ernst Ludwig Freiherr von der Horst zu Hollwinkel der geeignete Mann zu sein. Der 41-Jährige war der Sohn des ersten Mindener Regierungspräsidenten, sein Schwiegervater war Regierungspräsident in Koblenz und Düsseldorf. Solche Beziehungen waren in Berlin hilfreich.

Vom 1. bis 15. Februar 1847 hielt sich der Landrat in der Hauptstadt auf, um sein Anliegen vorzutragen. Detailliert schildert von der Horst in seinem Reisetagebuch diesen Zeitraum. Dabei zeigt sich schnell, dass er die zwei Wochen weitgehend wartend verbringt, auch wenn er immer wieder versucht, leitenden Beamten sein Anliegen zu schildern, Finanz- und Innenminister aufsucht und sich um einen Termin beim König bemüht.

An diesem Warten ändern die zahllosen Gespräche über die Revolutionsgefahr im Rheinland und andere aktuelle politische Themen ebensowenig wie der Hoftratsch oder die Opernaufführungen, Museumsbesuche, Gottesdienste und seine Einkäufe, die von der Horst ausführlich erwähnt.

Erst am 13. Februar kann Adolph von der Horst zunächst den Thronfolger sprechen. Wilhelm, Prinz von Preußen, der spätere König und Kaiser nach 1871, lässt sich die Situation schildern und erkundigt sich nach der Stimmung der Untertanen. Von der Horst schildert die Bevölkerung als loyal - "die wenigen Schweine in den Städten einmal abgerechnet." Kommunistische Werber seien von den Not leidenden Bauern noch verprügelt worden, was wiederum dem Prinzen gefällt: "Das ist recht schön und sollte nur öfter ausgeführt werden."

Von der Horst schildert mögliche Maßnahmen gegen die Krise: Die Übervölkerung im östlichen Westfalen könne durch Ansiedlung in den wenig besiedelten östlichen Provinzen abgebaut werden. Eher naiv klingt der Vorschlag, den Garn- und Leinenexport aus Westfalen zu steigern, denn tatsächlich war das Heimgewerbe nicht mehr konkurrenzfähig. Von der Horst fordert angesichts der Industrialisierung verstärkten staatlichen Einsatz und stimmt mit dem Prinzen überein, dass viele adeligen Grundbesitzer im Westen Bergbau und Fabriken abgelehnt und die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt hätten. Der Besuch beim Prinzen bleibt ein unverbindlicher Gedankenaustausch, von der Horst hofft, sein Anliegen noch beim König vortragen zu können.

Noch am selben Tag erfährt der Lübbecker Landrat, dass Finanzminister Ernst von Bodelschwingh mit Datum vom 12. Februar dem Kreis Lübbecke nun die Summe von 2000 Reichstalern Unterstützung, dazu Mehl und Getreide aus Mindener Militärbeständen zugewiesen worden habe. Von 20 000 oder gar 50 000 Talern ist keine Rede.

Wegen weiterer Mittel müsse von der Horst sich an den Oberpräsidenten in Münster wenden. Nach dieser Antwort auf das Hilfegesuch der Lübbecker Landstände kann das Gespräch mit dem König nur noch unverbindlich verlaufen. Nach langem Warten wird von der Horst am 15. Februar bei Friedrich Wilhelm IV. zur Tafel gebeten.

Der König ist zwar betroffen, weil ihn die Schilderungen von der Horsts an die Lage in Schlesien erinnern: Dort kam es 1844 zu Unruhen. Doch von der Horst unterstreicht auch hier die Königstreue der Untertanen. Wenn die Mittel nicht zu bekommen seien, auf die Lübbeckes Landstände gehofft hätten, seien die Untertanen auch für das Machbare dankbar.

Der Versuch des Landrates, persönlich für seinen Kreis um Hilfe zu bitten und die Situation dem König zu schildern, führte nicht zum gewünschten Erfolg. König und Minister hätten kaum an den leitenden Behörden der Provinz Westfalen vorbei große Beträge nach Lübbecke vergeben.

Die wochenlange Anwesenheit des Landrates in Berlin, seine ständigen Bemühungen um Gespräche und die Besuche mögen aber zumindest die Entscheidung beeinflusst haben, der Provinz Westfalen zusätzliche Geldmittel zu bewilligen.

Deshalb werden Adolph von der Horst und sein Eintreten für den Kreis Lübbecke im Februar 1847 anhand seiner Reiseaufzeichnungen auch in der zweiten Abteilung der Dauerausstellung des Preußen-Museums dargestellt werden.

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