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Maria darf niemals Christus verdecken

Thronende Madonna mit Kind in der Domschatzkammer

Die Marienverehrung spielt in der katholischen Kirche eine große Rolle. Das 2. Vatikanische Konzil hat sie nachdrücklich unterstrichen, aber auch vor Übertreibungen und Fehlentwicklungen gewarnt. Maria darf niemals Christus verdecken, im Gegenteil: Immer soll sie zu ihm hinführen.

"Was er euch sagt, das tut" (Joh 2,5), war ihre Anweisung an die Diener bei der Hochzeit zu Kana. Das Konzil hat ihr kein eigenes Dokument gewidmet, sondern sie in die Dogmatische Konstitution "Lumen gentium" über das Volk Gottes eingefügt. Maria steht nicht auf der Seite Gottes, sondern auf der Seite des Menschen. Sie ist nicht Erlöserin der Menschen, auch nicht Miterlöserin, sondern Erlöste wie wir alle. Sie hat nicht Gott als Gott geboren, sondern den Menschen Jesus Christus, der wesenhaft mit seiner Gottheit verbunden war. Maria ist keine Göttin; darum kann sie niemals angebetet, sondern nur verehrt werden. Auf solche Unterscheidungen ist schon aus ökumenischen Gründen sorgfältig zu achten. Die Marienverehrung ist auch deshalb wichtig, weil sie Emotionalität und Wärme in unseren oft auf den Verstand beschränkten christlichen Glauben bringt.

Thronende Madonna mit Kind in der Domschatzkammer.Der evangelische Theologe Kurt Marti hat in einem Lobgesang auf Maria diesen Klärungsprozess mit dem Wort "Maria trat aus ihren Bildern" umschrieben. Auch Martin Luther wusste um die herausragende Stellung Mariens aufgrund ihrer starken Verankerung in der Bibel. Darum hat er ihr in seinem Gedicht "Die Himmelsfrau" ein unübersehbares Denkmal gesetzt. Er schreibt: "Sie ist mir lieb, die werte Magd, Und kann ihr nicht vergessen. Lob, Ehr’ und Zucht man von ihr sagt, Sie hat mein Herz besessen... Sie trägt von Gold so rein ein’ Kron’... Ihr Kleid ist schön so wie die Sonn’, Das glänzet hell und ferne".

Mit diesem schönen Text führt uns der Reformator selbst zu der thronenden Madonna, die ein Glanzstück in der Mindener Domschatzkammer ist. Der Knabe Jesus sitzt auf dem Schoß seiner Mutter. Seine Füße weisen auf den Schoß, aus dem er gekommen ist, während Oberkörper und Kopf weit nach hinten gelehnt sind. Diese Haltung ist eine Seltenheit in der Kunstgeschichte. Der Blick des Kindes geht in die Ferne - hinauf zu seinem himmlischen Vater. Die Rechte Hand ist zum Segen über die Welt erhoben. Obwohl die Mutter Maria übergroß dargestellt ist – sitzend auf einem breiten Thronsessel, umhüllt von einem üppigen Ober- und Untergewand und mit einer prächtigen Krone geziert, bildet nicht sie, sondern das Kind die Mitte dieses überragenden Kunstwerkes. Das Blick Marien, der nachdenklich und starr ist, liegt auf dem Kind; die Falten des Kleides, die mit beiden Händen von ihr gehalten werden, laufen auf das Kind zu.

Diese Ausrichtung will sagen, dass von ihm die Gnade ausgeht, auch die Gnade Mariens, die der Engel ihr bei der Verkündigung verheißen hatte: "Du bist voll der Gnade" (Lk 1,28). Maria ist nicht aus sich groß, sondern allein durch Gott. Insofern ist ihr ganzes Leben ein einziger Lobgesang auf die Gnade und Güte Gottes. Weil so die Marienverehrung zu verstehen ist, kann der Evangelische Erwachsenenkatechismus schreiben: "Maria ist katholisch und evangelisch".

Ursprünglich war die Marienfigur über einem Holzkern aus getriebenem Silberblech gearbeitet; darum wird dieses Exponat gern auch als Silbermadonna bezeichnet. Sie war aber mit Gold überzogen, worauf die Farbreste noch hinweisen. Das Werk stammt wahrscheinlich aus dem niedersächsischen Raum; ähnliche Arbeiten aus Halberstadt, Hildesheim und Braunschweig legen diese Vermutung nahe. Da in der Kunstgeschichte nur in einer ganz kurzen Zeit – etwa von 1230 bis 1240 – eine solche zurücklehnende Haltung des Kindes vorgekommen ist, kann auch diese thronende Madonna in die Zeit von 1235 - 1240 eingeordnet werden. Die dem Kind und seiner Mutter verliehenen und mit Edelsteinen verzierten Kronen, Zeichen königlicher Würde, entstammen wahrscheinlich dem 13. und die der Mutter dem 14. Jahrhundert.

Nach den Berichten des Historikers Hermann von Lerbeck (Ende des  14. Jahrhunderts) und dem Domherren Heinrich Tribbe (Mitte des 15. Jahrhunderts) hat die Mutter Oda von Blankenburg ihrem Sohn, dem Bischof Anno von Minden (1171 – 1185) diese Marienfigur geschenkt. Allerdings stimmt diese tradierte Nachricht nicht mit dem kunstgeschichtlichen  Entstehungsdatum überein. In der thronenden Madonna mit Kind kann der Betrachter die Erfüllung der Weissagung des Psalmisten sehen: „Die Braut steht die zur Rechten, ihr Gewand ist durchwirkt mit Gold und Perlen“ (Ps 45,10.14).

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