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Neun Bilder zur Mindener Geschichte

Fritz Grotemeyer malte die Neun Bilder.

1941 plante die Stadt Minden auf Betreiben des Bürgermeisters Dr. Constantin Terhardt die Neugestaltung des großen Sitzungssaales im Mindener Rathaus und die Ausstattung dieses Saales mit Gemälden zur Mindener Geschichte.

Die Geschichte sollte vergegenwärtigt und zur Maxime für aktuelles politisches Handeln gemacht werden. Das ehrgeizige Projekt - im Angesicht der Ereignisse nicht durchführbar - harrt ab 1943 seiner Realisierung in „kommenden Friedenszeiten“. Doch diese angedachte Neugestaltung wurde nie ausgeführt. Im März 1945 wird das Rathaus bei einem Bombenangriff zerstört. Die Gemälde werden magazinisiert, das Bildprogramm gerät in Vergessenheit – bis das Mindener Museum im Jahr 2002 die neun Gemälde in einer Ausstellung wieder zugänglich machte.

Der Maler scheint von Anfang an festgestanden zu haben: Fritz Grotemeyer (1864-1947) sollte den Auftrag für den Historienzyklus erhalten. Bereits vor der offiziellen Auftragserteilung am 11. August1941 fanden in Minden mit dem Maler Gespräche über die Gestaltung des Zyklus und die Themenwahl statt.

Grotemeyer (geboren 1864 in Münster als neuntes von elf Kindern des Konditors Albert Grotemeyer, 1894 Meisterschüler im Atelier Anton von Werners) begann in Berlin auf der Stelle mit Entwürfen für die acht geplanten Gemälde. Im Dezember mahnte er Angaben über Maße und Raumplanung an, um seine Bildkomposition festlegen zu können:  „Wenn eine Komposition erst auf die lange Bank geschoben wird, geht zu viel Temperament dafür zum Teufel.“ (Korrespondenz, 16. Dezember 1941, Kommunalarchiv Minden) 

Neun Bilder des Malers Fritz Grotemeyer.Historisch exakte Darstellung

Grotemeyer legte großen Wert auf historisch exakte Darstellung und betrieb Studien zu Kostümen, Waffen und topographischen Details. Die erhaltene Korrespondenz ist ein Beleg für die detaillierten Nachfragen Grotemeyers bezüglich Inhalt und Darstellung der Motive.

Am 19. Januar 1943 meldet Grotemeyer aus Berlin, dass die Gemälde fertiggestellt sind. Die Gemälde weisen den 77-jährigen Grotemeyer als versierten Maler aus, der kompositionell sicher und zügig die Leinwände bearbeitet. Seine Vorzeichnungen mit Kohle oder schwarzer Kreide scheinen durch und werden zur Konturierung einzelner Partien in die Malerei integriert. Es entsteht so ein zeichnerischer, illustrativer Gesamteindruck. Hohe malerische Qualität zeigt sich in der Setzung der atmosphärischen Vorder- und Hintergründe und der sicheren Einbeziehung des hellen Malgrundes in den Motivaufbau.

Die teilweise unbestimmt gehaltenen Hintergründe deuten eine Wertung des Malers an: Topographische Details dienen Grotemeyer lediglich als Erkennungszeichen, benötigen also nicht die gleiche Ausarbeitung wie der Handlungsstrang.

„Zu dem Hintergrund muss ich bemerken, dass die Ansicht der Kritiker einfach Unsinn ist. Wenn man mit gesunden Augen eine Handlung beobachtet - achtet man nicht gleichzeitig auf den Hintergrund dafür - also wenn der Maler einen historischen Vorgang packend schildern soll, muss er den Hauptvorgang hervorheben und alles andere eben weniger - sonst verflacht seine Darstellung. Fotoapparate mit scharf eingestellter Blende sind ihm eben nicht maßgeblich für eine Arbeit, die anders behandelt werden muss. So ist das wenigstens meine Ansicht, und die kommt bei meinen Bildern nur in Frage.“ (Grotemeyer an Archivrat Dr. Martin Krieg, 12. März 1947, Kommunalarchiv Minden)

Einfühlung in das historische Ereignis

Grotemeyer gelingt es, mit mattem Farbauftrag und gezielt gesetzten zeichnerischen Details Physiognomien, Stimmungen, Situationen vor dem Betrachter erstehen zu lassen. Er ermöglicht so eine direkte Einfühlung in das dargestellte historische Ereignis und seine Handlungsträger.

Durch die Aufnahme von Genre-Szenen überschreitet Grotemeyer das Ideal der klassischen Historienmalerei: Die Darstellung des alltäglichen, flüchtigen Moments dient ebenfalls der Vergegenwärtigung des geschichtlichen Ereignisses. Auch die Übernahme photographischer Bildaufbautechniken, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Erscheinungsform der Malkunst beeinflussten, verleiht den Gemälden den Charakter einer Momentaufnahme. Grotemeyers Gemäldezyklus steht somit deutlich in der Tradition der Malerei um 1900.

Im Umfeld der für das „Dritte Reich" typischen Gemäldeproduktion lassen sich Grotemeyers rückwärtsgewandt wirkende Historienbilder weder inhaltlich noch stilistisch verorten. Eine propagandistische Bedeutung kann ihnen nur im Gesamtzusammenhang des geplanten Sitzungssaales des Mindener Rathauses und durch Interpretation im Sinne des Zeitgeistes mitgegeben werden.

Alle Texte: Mindener Museum (Ursula Bender-Wittmann und Dr. Marion Tüting), bearbeitet von Hans-Jürgen Amtage.
Digitale Gemälde-Reproduktionen: Manfred Otto/Hans-Jürgen Amtage



Die neun Gemälde von Fritz Grotemeyer (Titel anklicken):

Widukind und Karl der Große (um 800)
Trauung Heinrich des Löwen im Mindener Dom (1168)
Kaiser Karl IV. in Minden (1377)
Mindener Hansekaufleute (15. Jahrhundert)
Reformationspredigt des Nikolaus Krage in der Martinikirche (1529)
Belagerung Mindens durch die Schweden (1634)
Kurfürst Friedrich Wilhelm I. stiftet die Prämie für das Freischießen (1685)
Schlacht bei Minden (1759)
Friedrich der Große besucht Minden (1763)

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